Japanisch lernen in Japan

| 10. März 2013 | 5 Kommentare

Wie schon oft erwähnt, bietet Japan ein gewisses Potenzial für Sprachbarrieren. Die wohl effektivste Präventivmaßnahme ist Sprachunterricht – das leuchtet irgendwie ein. Wer die Möglichkeiten hat, ist gut beraten, sich in Deutschland schon so viel Wissen wie möglich anzueignen. Eigentlich auch klar. Wer aber lieber direkt „vor Ort“ eintauchen will in das japanische Sprachbad, kann dies an einer von vielen Sprachschulen tun.

Doch wie sieht Japanischunterricht in Japan aus?

Zuerst einmal steht man natürlich vor der Qual der Wahl: Welche Schule möchte ich denn überhaupt besuchen? Dazu ist es erst einmal wichtig zu wissen, dass es neben den vielen privaten Schulen auch öffentliche Kurse gibt. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind schnell erklärt:

Private Sprachschulen:

–          Unterricht i.d.R. vor- oder nachmittags von Montag bis Freitag

–          qualifiziertes Personal

–          Kosten: im Mittel rund 400,- € pro Monat, je nach Kurs und Schule

–          Kurse mit verschiedenen Schwerpunkten (nach Sprachlevel, Fokus auf Kommunikation, Vorbereitung auf japanische Universitäten etc.)

–          Fazit: sehr intensiver Unterricht mit intensiver Betreuung durch die Lehrkräfte

Öffentliche Sprachschulen:

–          i.d.R. einmal die Woche Unterricht, etwa ein bis zwei Stunden lang

–          qualifiziertes Personal

–          kostenlos, da die Lehrkräfte ehrenamtlich arbeiten

–          unterschiedliche Kurse, je nach Sprachlevel

–          Fazit: geringerer Lernerfolg in gleicher Zeit bzw. viel Eigenarbeit erforderlich, aber definitiv schonender fürs Portmonee

Die Entscheidung für eines der beiden Systeme hängt sicher vorrangig vom finanziellen Budget und Sprachstand des Einzelnen ab. Bei öffentlichen Sprachschulen erkundigt man sich am besten im ortsansässigen Bürgeramt in Japan. Allgemein gilt, dass man als Ausländer nur die Kurse in der Stadt besuchen kann, in der man wohnt. Es gibt aber auch Ausnahmen, beispielsweise in Shinjuku; dort wird jeder aufgenommen.

Möchte man eine private Sprachschule besuchen, liefert google gute Dienste zur Unterstützung der Entscheidungsfindung. Unter entsprechenden Stichworten findet man schnell verschiedene Schulen in verschiedenen Regionen Japans. Die Homepages bieten im Regelfall englische Übersetzungen, sodass man sich gut zurechtfindet, das Angebot einsehen und einen Kosten/Nutzen-Vergleich betreiben kann. Die Vorlieben fallen hier sicher sehr unterschiedlich aus, denn jeder hat andere Ziele, die er mit seinem Japanaufenthalt erreichen will. 🙂

Ich habe mich letztendlich für die ISI Tokyo entschieden und möchte euch nun exemplarisch vom Unterricht an dieser Schule erzählen. (Zu ISI gehören vier Schulen: zwei in Tokyo, eine in Nagano und eine in Gifu. Vermutlich ähneln sich diese Schulen in ihren Arbeitsweisen.)

Nachdem ich von meiner Reiseagentur, über die ich den Sprachkurs gebucht habe, vorab mit vielen Informationen zur Schule und Abläufen ausgestattet worden war, fand an meinem ersten Tag in der Schule eine Einführung sowie ein Einstufungstest statt. (Mitschülern, die privat gebucht hatten, standen zum Teil deutlich weniger Informationen im Vorfeld zur Verfügung.) Da ein neues Quartal begonnen hatte und es somit viele neue Schüler gab, bestanden die ersten Tage aus einführenden Veranstaltungen: Man wurde mit den Schulregeln und der Umgebung der Schule vertraut gemacht, hat einige Lehrer kennengelernt und es gab eine kleine Willkommensparty. Die war allerdings wirklich klein. Sehr, sehr klein. Eckdaten: eine Stunde am Nachmittag, mit grünem Tee und ein paar Chips. Irgendwie haben wir uns da alle ein wenig veräppelt gefühlt, aber so ist man dann auch gleich mit anderen ins Gespräch gekommen. Vielleicht steckte also ein ausgereifter Plan dahinter. 😉

Besonders spannend war natürlich der Einstufungstest: Meine Schule hat die Neuankömmlinge in Gruppen eingeteilt. Den Großteil machten Chinesen aus, dann gab es eine (ebenfalls große) koreanische Fraktion und als dritte im Bunde den englischen Rest, bestehend aus Europäern, Amerikanern und Australiern. Diesen drei Gruppen wurden zunächst einzelne Räume und Lehrer zugeteilt, die in den entsprechenden Sprachen erste Informationen gegeben haben. Sehr praktisch, besonders für diejenigen mit wenig oder gar keinen Japanischkenntnissen! Im Anschluss folgte der Einstufungstest. Man musste sich entscheiden, ob man „Kenntnisse besitzt“ oder nicht, entsprechend wurde man in einen anderen Raum geschickt. Ich habe mich sicherheitshalber den „Sprachlosen“ zugeordnet. Dort wurden wir jeder einzeln von einer Lehrerin zum Gespräch gebeten. Sie fragte uns (natürlich auf Japanisch) ein paar persönliche Dinge (Name, Alter, ob wir schon einmal Japanischunterricht hatten undsoweiter). Am Ende sollten wir noch ein paar Hiragana und Katakana lesen und schreiben. Entweder war damit die Einstufung vorbei oder man wurde doch noch in den anderen Raum geschickt, um (in der anderen Gruppe) einen relativ ausführlichen schriftlichen Test abzulegen. Dabei wurden Vokabeln abgefragt, indem man Gegensätze zu vorgegebenen japanischen Wörtern finden musste, Grammatik getestet (Partikel, Verbformen etc.) und es gab ein paar offene Fragen für freie schriftliche Äußerungen. Insgesamt hatte man 60 Minuten Zeit. Mein Test fiel dabei nicht allzu glorreich aus, aber dennoch ließ sich eine Kurseinordnung ableiten. 😉 Diese wurde am nächsten Tag bekanntgegeben. Dabei erhielt man auch seinen Schülerausweis.

Hinweis: Da viele Schüler an den privaten Sprachschulen mit einem student visa einreisen, werden Fehlzeiten generell sehr streng geregelt: Fehltage und auch Stunden, an denen nicht teilgenommen wurde, müssen schriftlich erklärt werden. Im schlimmsten Fall droht irgendwann der Rausschmiss, da die japanische Regierung den Missbrauch des student visa stark überwacht und die Schulen dadurch in einem gewissen Zugzwang stehen. Bei Schülern, die mit dem working holiday visa im Land sind, sind die Regeln nicht ganz so streng, jedoch musste ich mich auch ausführlich erklären, als ich einen Tag wegen eines job interviews verpassen musste.

Die ersten Schultage waren noch relativ entspannt. Insgesamt hat bei uns jeder Kurs vier Lehrkräfte, jeweils ein Lehrer unterrichtet einen ganzen Tag lang; den Klassenlehrer hat man zwei Tage in der Woche. Die Lehrer sind alle sehr nett und freundlich. Nach dem Unterricht oder an der Rezeption kann man sich jederzeit mit Fragen zu schulischen oder persönlichen Belangen an die Mitarbeiter wenden.

Und was passiert nun im Unterricht?

Nun, zunächst einmal arbeiten wir mit einem Lehrwerk. ISI nutzt Minna no Nihongo, das in Japan generell sehr verbreitet ist, da es komplett in japanischer Sprache verfasst ist. (Vokabellisten gibt es aber in Chinesisch, Koreanisch und Englisch. ^^) Anhand des Lehrwerks haben wir (ein „fortgeschrittener Anfängerkurs“) zuerst noch einmal Schönschreibübungen in Hiragana und Katakana gemacht. Über mehrere Tage gab es viele verschiedene Zettel zum Ausfüllen, die immer eingesammelt und korrigiert wurden. Zusätzlich ist man natürlich auch mit den ersten Grammatiklektionen eingestiegen. Auch hier gab es viele Übungen. Nach nicht allzu langer Zeit machten wir Bekanntschaft mit Kryptologie Kanji. Waren die ersten noch bekannt, kamen relativ bald völlig neue auf uns zu. Jeden Tag ist eine Schulstunde (wir haben 4×50 Minuten Unterricht täglich) für Kanji reserviert. (Am Tag lernen wir 6 neue Kanji bzw. deren Vorkommen in Wörtern, in den fortgeschrittenen Kursen wird auf 12 erhöht.) In den restlichen Stunden werden neue Vokabeln, Grammatik, Texte undsoweiter erarbeitet. Gelegentlich üben wir uns auch schon im Aufsatzschreiben. Alles passiert an Hand unseres Lehrwerks. Wir selbst haben ein Lehr- und ein Übungsbuch bekommen, die Lehrer verteilen dazu noch zusätzliche Arbeitsblätter, die von simplen Grammatikabfragen bis zum Text- und Hörverstehen reichen. Pro Woche erarbeiten wir ungefähr zwei Lektionen im Lehrbuch. Jeden Tag gibt es einen Kanji- und im Regelfall einen Katakana-Test. Dazu kommen gelegentliche Tests über Hörverstehen, einer pro Lektion. Ebenfalls täglich gibt es Hausaufgaben. Diese und fast alle Übungen, die im Unterricht gemacht werden, werden eingesammelt und korrigiert wiedergegeben. Das Übungsheft bietet pro Lektion einen Aufgabenfonds, der die neue Grammatik in komprimierter Form abfragt und bietet sich daher gut an, um für die großen Tests zu lernen. Diese, ebenfalls am Lehrwerk orientiert, stehen etwa alle zwei Wochen an und fragen somit das Wissen zu den letzten vier Lektionen ab. Wie ihr seht, ist man mit dem Unterricht ganz gut ausgelastet und wenn man will, kann man auch den Rest des Tages mit Lernen, Vorbereiten und Hausaufgaben verbringen. 😉

Und ist der Unterricht insgesamt vergleichbar mit deutschem Sprachunterricht?

Klare Antwort: nee, nicht so. Ich komme ja nun aus der Fremdsprachenpädagogik und brauchte eine Weile, um mich hier einzufinden. Während deutsche Praktiken auf viel Eigentätigkeit der Schüler und kreative Übungen setzen, ist der Unterricht hier hauptsächlich frontal. Es gibt zwar auch Partnerübungen, die laufen aber immer gleich ab und sind einigermaßen mechanisch. (Man erarbeitet einen Text im Lehrbuch und erhält im Anschluss eine Kopie, auf der dieser Text quasi als Lückentext steht, den man dann mit seinem Partner „individuell“ ergänzen soll. Es bleibt dabei aber einfach nicht viel Raum für Kreativität, wobei das Raster natürlich eine gewisse Sicherheit gibt.) Auch die Grammatikübungen sind sehr mechanisch, in der Regel gibt es ein Aufgabenmuster, das für die ganze Übung durch exerziert werden soll. (Davon unterscheidet sich lediglich das Übungsheft, in dem auch umfassendere Aufgaben gestellt werden.) Außerdem wurde an meiner deutschen Uni eines besonders verteufelt: chorisches Nachplappern. Der Lehrer kann einfach nicht hören, wie jeder Einzelne spricht oder ob sich überhaupt jeder beteiligt. Dazu kommt, dass niemals alle Schüler auf einem Level sind, sodass die schwächeren einfach auf der Strecke bleiben, weil sie nicht hinterherkommen. Das Prinzip wird hier (leider) mit absoluter Vorliebe praktiziert. Aber gut, andere Länder, andere Sitten.

Jetzt zum Ende des Quartals, kurz vor den Frühlingsferien, stehen noch einmal umfassende Tests an. Dazu gehören für meinen Kurs einletzter großer Grammatiktest, ein Aufsatz und ein mündlicher Test (freies Sprechen). Es gibt noch einen weiteren Test, der, glaube ich, eine Mischung aus mündlichem Test (Frage-Antwort-Spiel mit dem Klassenlehrer) und einem Ankreuztest ist.

Am Ende der Kurszeit erhält jeder Absolvent ein Zertifikat über den Besuch der Schule, egal wie lange man dort war. Außerdem bereitet die Klasse ein „Abschiedsbild“ vor, auf dem jeder Wünsche für den Ziehenden festhalten kann. Das finde ich einen sehr netten Brauch. 🙂

Fazit: Wie ihr seht, lernt man an den privaten Schulen wahnsinnig viel. An meiner Schule wird neben Grammatik und Kommunikation auch viel Wert auf Kanji gelegt – andere Schulen setzen ihre Prioritäten hauptsächlich auf Kommunikation. Die täglichen kleinen Tests (Zeichen, Hörverstehen, Grammatik) zeigen einem sehr gut, wo man steht bzw. welche Schwachstellen ausgebessert werden können. Die Lehrer sind allesamt sehr nett, die meisten auch recht witzig, sodass der Unterricht wirklich Spaß macht. An den meisten Schulen scheint es so zu sein, dass Chinesen die Überflieger in den Kursen sind – Fortgeschrittenenkurse bestehen im Regelfall nur aus Chinesen, wie mir auch Mitbewohner berichtet haben, die andere Schulen besuchen. Allgemein bieten private Sprachschulen auch (kostenpflichtige) Ausflüge oder Veranstaltungen an. Davon habe ich an meiner Schule bisher jedoch nur einen speech contest mitbekommen, an anderen Schulen scheint das intensiver praktiziert zu werden, so ist zumindest mein Eindruck durch die Erzählungen meiner Mitbewohner. Was ich vermisse, ist ein bisschen kultureller Unterricht. Gerade für uns „Westler“ ist ja doch ziemlich viel alles fremd und man kann jederzeit mit Schmackes in viele Fettnäpfchen springen. Dennoch ist es allemal eine Erfahrung, in einer privaten Sprachschule in Japan die Schulbank zu drücken!

…Einen Beitrag über Japanischlernen in Deutschland wird es in nächster Zeit auch noch geben. 🙂 Bis dann!

Tags:

Kategorie: Allgemein, Katharinas Reiseblog

Über den Autor ()

Kommentare (5)

Trackback URL | Comments RSS Feed

  1. Swana sagt:

    Zuerst einmal:
    Danke für all diese tollen Eindrücke und „Vorwarnungen“ 😉 Man bekommt von Japan hier in Deutschland doch einfach sehr anders und viel zu wenig mit…

    Wer in Berlin lebt, dem kann ich das JDZB (Japanisch Deutsches Zentrum Berlin) zum Erlernen der Sprache, sehr empfehlen.
    http://www.jdzb.de/

    Ich hatte leider nur 5 Monate zeit dort japanisch zu lernen, aber es hat mir doch sehr geholfen und durch das Arbeitsmaterial kann man sich auch in Japan noch durchwühlen 😉
    Man lernt bei Mutterspachlerinnen, zweimal die Woche.
    Regelmässigkeit wird da allerdings sehr Groß geschrieben! Einmal nicht dabei gewesen, kann man schnell den Faden verlieren 🙂

    Ich wünsche allen viel Spass und Erfolg die das Ziel verfolgen nach Japan zu gehen ^^ und dir
    Katharina wünsche ich noch jede Menge schöne Erlebnisse in Tokyo.
    Vielleicht läuft man sich ja mal übern Weg 😉 Bei mir gehts am 25.03. los nach Osaka – und ich kann es immer noch nicht glauben 😀

    Lieben Gruß,
    Swana

    • Katharina sagt:

      Hey!
      Vielen Dank für deinen Kommentar und den Tipp mit dem JDZB! Das klingt ja wirklich toll. 🙂
      Wie lange bleibst du denn in Osaka? Da möchte ich auch unbedingt noch hin! Ich wünsche dir einen guten Flug und dann natürlich super viel Spaß in Japan! Aber den wirst du ganz bestimmt haben. ^^

  2. Rina sagt:

    Ich hab hier in meiner Uni in Deutschland auch das „minna no nihongo“ 😉
    (Das japanische Kommunikationsübungsbuch, deutsches Grammatikbuch und englisches Kanjibuch.)
    Und allgemein gibt es eine große Ähnlichkeit mit dem Unterrichtsaufbau. Finde ich wirklich interessant zu hören ^^

    Viel Erfolg weiterhin beim Lernen!

    • Katharina sagt:

      Dankeschön! 🙂
      Dass der Unterricht ähnlich ist, ist ja wirklich interessant. 🙂 Aber es gibt ja auch wahnsinnig viel Material zu dem Buch. o.o

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert