Ein Leben als gaijin

| 27. Februar 2013 | 0 Kommentare

Vor einiger Zeit kam einmal die Frage auf, wie es in Japan mit der Ausländerfeindlichkeit aussieht. Damals habe ich gesagt, dass ich mir so etwas hier eigentlich nicht vorstellen kann. In der Zwischenzeit habe ich mich vielerorts umgehört und möchte euch heute von den Ergebnissen berichten. 🙂

Meine „Testpersonen“ waren vorrangig Mitschüler, aber ich bin auch mit einigen Ausländern (gaijin 外人 oder auch gaikokujin 外国人) ins Gespräch gekommen, die schon mehrere Jahre hier leben.

Kommen wir zuerst zu meinen Mitschülern. Von ihnen hat noch niemand, seit er hier ist, Erlebnisse gehabt, die er als ausländerfeindlich eingestuft hätte. Viele, gerade blonde oder einfach „westlich“ Aussehende, berichten aber, auf der Straße angeguckt oder sogar angestarrt zu werden. Das empfinden sie aber nicht als negativ, vielleicht gelegentlich als unangenehm, wenn es sich zu sehr häuft.

Dieses Gucken kenne ich auch. Besonders Kinder sind oft recht fasziniert von uns fremd aussehenden Leuten, aber das ist völlig in Ordnung, denke ich. In Tokyo selbst trifft man auf viele Ausländer, sodass man dort „uninteressanter“ wird. In Saitama bin ich zwar auch nicht allein auf weiter Flur, sozusagen umringt von Einheimischen, aber hier fallen mir schon öfter neugierige Blicke auf. Ja, ich empfinde das vorrangig als neugierig. Wenn ich es bemerke, grinse ich die Leute im Regelfall an, daraufhin wenden sie sich allerdings meistens ab. Ob das aus Scham ist, weil man sie „erwischt“ hat oder ob an meinem Grinsen etwas falsch ist, hat sich mir aber bisher nicht erschlossen. 😉

Die interessanteren Berichte haben sicherlich diejenigen geliefert, die schon länger in Japan leben. Dabei handelt es sich vorrangig um Amerikaner, aber auch ein paar andere Nationalitäten. Mir wurde erzählt, dass Ausländerfeindlichkeit als solche eigentlich nicht sehr präsent sei, so der allgemeine Eindruck. Man könne aber durchaus öfter einen Unterschied im Verhalten der Japaner bemerken, wenn sie sich einem „westlichen“ Ausländer oder einem anderen Asiaten gegenüber sehen. Als „Westler“ habe man im Regelfall keine Probleme, da sei die Mentalität recht positiv. Gerade Menschen von den Philippinen aber wären häufiger mit Formen von Rassismus konfrontiert.

Im Internet kursieren viele Berichte über Japaner, die Ausländern zum Beispiel den Eintritt zu Restaurants, onsen oder Ähnlichem verweigert haben. Das einzige wirklich negative Erlebnis, was mir bisher zu Ohren gekommen ist, stammt von einer Frau, die seit nunmehr dreißig Jahren in Japan lebt. Einmal habe sie einen Supermarkt betreten und augenblicklich hätte eine ältere Japanerin zu schreien angehoben: Was sie hier zu suchen hätte, sie solle in ihr Land verschwinden. Das Ganze ging wohl noch weiter und mein Kontakt – sie ist wahnsinnig gut im Japanischen – erzählte mir, das wäre ein Moment gewesen, in dem sie sich gewünscht hätte, die Sprache nicht zu verstehen. Sie erzählte mir außerdem, dass sie mal ein Krankenhaus aufsuchen wollte, in dem man sie aber abgewiesen hat. Sie könne es nicht mit Sicherheit sagen, vermute aber stark, dass der Arzt keine Ausländer behandeln wollte. (Gegenbeispiel: Als ich hier letztens zum Arzt musste, war ich eine kleine Sensation in der Klinik und man wollte mich gar nicht mehr gehen lassen. Wie es beim Arzt in Japan so abläuft, erfahrt ihr in einem der nächsten Posts. ^^)

Insgesamt würde ich sagen, dass es zumindest in Tokyo sehr schwer ist, mit Einheimischen überhaupt größer in Kontakt zu kommen. Alle sind wahnsinnig geschäftig und kümmern sich vorrangig um ihre eigenen Belange. Vielleicht hat Ausländerfeindlichkeit da auch einfach keinen Platz mehr im Terminplan. In Saitama bin ich schon ein paar Mal zu Gesprächen mit Japanern gekommen. An einem kälteren Tag zum Beispiel hat mich ein Japaner auf das Wetter angesprochen (さむい です ね – kalt heute, nicht wahr) und hat sich sehr gefreut, als ich geantwortet habe (さむい です よ – ja, wirklich kalt). Das war eine durchaus schöne Erfahrung. (Ein japanischer Mitbewohner erzählte mir vor ein paar Tagen, dass die meisten Japaner sehr begeistert seien, wenn Ausländer ein paar Brocken Japanisch sprechen könnten. Die gleichen Leute seien aber oft gar nicht mehr so positiv eingestellt, wenn Ausländer richtig gut Japanisch sprächen, vielleicht aus Angst vor Konkurrenz.)

Letztes Wochenende allerdings bin ich nachts Zug gefahren. Ich habe mich auf einen der Plätze gesetzt, die eigentlich älteren oder beeinträchtigten Personen vorbehalten sind – der Zug war aber so leer, dass niemand stehen musste. An der nächsten Station stieg ein Mann ein, der in meine Richtung ging und mir einen bitterbösen Blick zuwarf, bevor er sich einen Platz weiter setzte. Ich bin mir absolut nicht sicher, ob er mich wirklich so böse angeguckt hat, weil ich Ausländer bin, oder ob ich mir den Blick bzw. dessen Intensität vielleicht sogar nur eingebildet habe, weil ich in letzter Zeit vermehrt darauf achte, ob ich so etwas bemerke. In keinem Fall möchte ich abstreiten, dass es Ausländerfeindlichkeit in Japan gibt. Aber in der Quantität, wie es vielerorts beschrieben wird, kann ich mir das nach meinen bisherigen Eindrücken und Gesprächen eigentlich immer noch nicht vorstellen.

Anmerkung: Im Internet bin ich auf Berichte gestoßen, die „gaijin“ quasi als Schimpfwort einstufen. Inwiefern das stimmt, kann ich nicht sagen, zumindest haben wir gai(koku)jin auch in den Vokabellisten unseres Lehrbuches stehen. Falls das Wort aber jemandem negativ aufstößt, möchte ich darauf hinweisen, dass ich es natürlich nicht böse meine, sondern mich an meinen Unterricht halte. 😉

Anmerkungen oder Erfahrungsberichte in den Kommentaren sind natürlich wieder gerne gesehen! 🙂

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Kategorie: Allgemein, Katharinas Reiseblog

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Kommentare (0)

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  1. Kaden sagt:

    Hey,

    interessanter Blog, gefällt mir!

    Zum Thema Rassismus kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass offener Rassismus im Alltagsleben eher selten ist bis gar nicht vorkommt. Das ist eher dem politischen Bereich vorbehalten und davon bekommt man eher nur durch Medien mit, außer wenn die schwarzen Wägen mit Lautsprechern der rechtsradikalen Gruppierungen an dir vorbeirauschen.

    Was ich eher problematisch und richtig nervig finde ist der latente Rassismus, der sich durch gewisse Gesten oder Verhaltensweisen ausdrückt. Wenn man zum Beispiel mit japanischer Begleitung unterwegs ist, in ein Restaurant geht und die Bedienung konsequent nur mit der japanischen Begleitung redet und anschaut, auch wenn man diese selbst auf japanisch anredet (und dabei der Begleitung hilfesuchende Blicke zuwirft…).

    Dazu werde ich aber wohl auf meiner Webseite wohl selber noch dazu schreiben, dank dem Artikel hier 😉

    • Katharina sagt:

      Heyyy, danke für den Erfahrungsaustausch!
      Solche Szenen wie im Restaurant kenne ich auch, wobei ich vermute, dass das gar nicht immer böse gemeint sein muss…allerdings ist es komisch, nicht zu reagieren, wenn man auf Japanisch angesprochen wird. :/
      Diese schwarzen Wagen kannte ich noch nicht oder habe sie zumindest noch nicht bewusst wahrgenommen. Sehr interessant!

  2. Miri sagt:

    hallihallo!

    Ich bin zufällig auf deinen Block gestoßen und lese mir gerade alles ganz genau durch 😉

    Und jetzt kann ich mir einen Kommentar nicht verkneifen;
    Ich war im März/April 2013 in Japan und mein persönliches Klamotten-Highlight war ein junger Japaner mit einem gelben T-shirt auf dem fett das Wort „Halstablette“ (also auf deutsch) gedruckt war ^.^
    Ich hoffe nur, dass er dieses T-Shirt nicht bei einem Deutschland-Besuch anziehen wird… xD

    PS: Ich bin begeistert von deinem Block!!! Danke für die ganzen tollen Infos!!

    • Katharina sagt:

      Hey,
      schön, dass dir der Blog gefällt! 🙂 Es kommen demnächst auch wieder neue Beiträge!! ^^
      Das T-Shirt hätte ich ja auch gern gesehen… 😉 Mein Highlight war wohl ein T-Shirt mit einem sehr detaillierten Aufsatz über das Nilpferd – auf Deutsch. So gesehen in einem T-Shirt-Laden und ich dachte mir „Na, damit läuft garantiert keiner rum“. o.o

      Denkste. 😉

  3. Rina sagt:

    Ich habe schon von einigen Leuten gehört, dass viele Japaner Vorurteile haben. Leider gibt es ja immer schwarze Schafe und da werden dann gleich alle anderen mit in die gleiche Schublade gepackt >__<
    Man kann schon Probleme bekommen bei der Wohnungssuche bspw oder wie du ja bereits geschrieben hattest, in Onsen, Restaurants etc.

    Vor allem Amerikaner haben es schwer (u.a. der 2.WK ist nicht so schnell vergessen) und da alle Europäer gleich erstmal als Amerikaner gehalten werden, haben die es genauso schwer. Aber von vielen habe ich gehört, dass, wenn man eröffnet, dass man aus Deutschland kommt, von vielen gleich viel freundlicher behandelt wird (wegen der engen Verbndenheit der beiden Länder). Ich denke, da können wir uns also noch ganz glücklich schätzen 😉

    Aber mir tun besonders die Japaner leid, die ihre Wurzeln in den ehemaligen Kolonien Japans haben und deren Vorfahren gezwungen wurden nach Japan zu kommen um dort zu arbeiten und die Nachkommen (die sich durch ihr Aussehen/Namen o.ä. "verraten") teilweise noch immer ausgegrenzt werden.
    Ich habe mal eine mit koreanischen Wurzeln kennengelernt und sie hatte mir erzählt, dass sie oft zu hören bekommen hat, sie solle doch wieder zurück in "ihr" Land gehen, wobei sie in Japan geboren wurde, ebenso wie ihre Eltern, und sie nicht einmal koreanisch sprechen könne. Das finde ich schon ziemlich traurig 🙁

    Im allgemeinen denke ich aber, dass man in großen Städten und an typichen Touristenorte auf sehr wenig Ausländerfeindlichkeit trifft. Schließlich sollten die dort Ansäßigen schon an den Anblick gewöhnt sein ;D

    • Katharina sagt:

      Vielen Dank fuer deinen ausfuehrlichen Kommentar! 🙂 Das mit deiner koreanischen Bekannten finde ich ganz schoen heftig. Aber ich denke, sowas gibt es leider in jedem Land…
      Dass wir als Deutsche ganz gut dran sind in Japan, glaube ich auch nach meinen bisherigen Erfahrungen. Ich habe sogar schon einige Japaner gesehen, die Kleidung tragen, auf denen etwas Deutsches steht oder sogar unsere Flagge drauf ist. Insgesamt scheint ein Interesse an Deutschland da zu sein, viele fragen mich auch, wie das Leben in Deutschland ist, was fuer Essen es gibt (Essen ist ja immer ganz wichtig fuer die Japaner ^^) oder wie es mit der Politik oder Bildung aussieht.

  4. Maysn sagt:

    Also das Fettnäpfchenbuch hat dazu folgendes zu sagen: „Gaikokujin heißt wörtlich übersetzt „Mensch aus einem fremden Land“ und ist im Deutschen in seiner eigentlich unhöflichen und abwertenden Kürzung gaijin bekannt. In ländlicheren Regionen Japans kann es daher durchaus passieren, dass kleine Kinder aufgeregt auf westliche Touristen zeigen und „Gaijin da!“ rufen.“

  5. Jens sagt:

    Hey, interessanter Blog 🙂 Ich werd ihn mal gespannt weiterverfolgen, hoffe ich kann mir ein bisschen was abschauen ;P. Ich hab auch vor nach Japan zu gehen. So gegen ende des Jahres mit Work&Travel. Ich lerne schon etwas Japanisch, fange jetzt auch mit einem Lehrer an und hoffe, dass ich dann ein paar Brocken kann^^
    Viel Glück in Japan und dass du eine Job findest 🙂

  6. Anh Viet Dang sagt:

    Also zu den Wörtern Gaijin und Gaikokujin, gibt es eigentlich kein großen Unterschied. Kinder sagen häufiger Gaijin und Erwachsene Gaikokujin. Hatten es im JP-Unterricht kurz mal besprochen.
    Beides heißt ja ,,Ausländer“ wüsste nicht was daran ein Schimpfwort sein soll. (In Fast and Furios Tokyo Drift wird es total dramatisiert…)

    Keine / Geringe Ausländerfeindlichkeit kann ich zustimmen, auch als Viet. Einzig was mir
    aufgefallen ist das manche ältere Menschen, ich den Eindruck habe, nicht grad froh sind mit mir zu ,,sprechen“. Bei Jüngeren gab es kein Problem.

  7. Tina sagt:

    Hi 🙂

    Ich find deine Beiträge suuper spannend und freu mich immer wieder neues von dir zu lesen. In einem früheren Beitrag hast du ja über Kendo geschrieben (hab mich da echt gefreut, da ich auch Kendo mache ^^). Hast du in Japan auch vor in einem Dojo mitzutrainieren? Wäre interessant zu wissen wie das dann so ablaufen würde als „gaijin“ 😉

    liebe Grüße
    Tina

    • Katharina sagt:

      Hallo!
      Schön, dass dir die Beiträge gefallen! 🙂
      Zum Kendo werde ich hier leider nicht kommen, da ich all meine Sachen in Deutschland lassen musste, einfach zu viel Gewicht und Platz und überhaupt. 🙁 Ich habe hier zwar trotzdem bei ein paar Dojos angefragt, aber irgendwie klappt das nicht so recht, da jemanden zu erreichen und dann auch noch die richtige Auskunft zu bekommen. :/ Wenn sich daran etwas ändert, sag ich Bescheid! 😉

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