chim↑pom at Watari-Um, Museum of Contemporary Art

| 29. Mai 2012 | 0 Kommentare

Heute war ich in einer wirklich großartigen Ausstellung, von der ich euch unbedingt ausführlich berichten möchte! Die verschiedenen aktuellen Projekte der Künstlergruppe “chimpom“ und anderen Künstlern, wie JR sind zurzeit in Tokyo im WATARI-UM Museum unter dem Titel „Turning around“ ausgestellt. Wie der Name des Museums schon sagt, handelt sich hierbei um „neuzeitliche“ Kunst, die nicht nur kritisch ist, sondern bestimmte Teile der Welt auch in einem ganz anderen Blickwinkel zeigen soll.

Die Gruppe “chim↑pom“ besteht aus sechs Mitgliedern, eine Japanerin und fünf Japaner und wurde 2005 in Tokyo gegründet. Beschäftigt wird sich mit Themen, wie „Die Realität direkt vor den Augen des Betrachters“ und der „dunklen Seite der Realität“. Damit sind sie erfolgreich und hatten 2011 sogar eine zeitweilige Ausstellung im Moma (Museum of Modern Arts in New York).

 

Projekte

In Shibuya fand sich die Gruppe eines Nachts zusammen, um „Material“ für ihr Projekt „Super rat“ zu sammeln. Gemeint waren damit tatsächlich lebendige Ratten, die zwischen Mülltüten auf der Straße gesucht und anschließend als „echtes“ Pikachu dargestellt wurden, um zu verdeutlichen und zu kritisieren, wie die Menschen heutzutage mit Fleisch umgehen. Man isst es, ekelt sich jedoch vor seiner eigentlichen Form.

Daraus entstanden drei in der Ausstellung zu sehende ausgestopfte Ratten, aufgestellt in unnatürlichen, fast menschlichen Posen und angemalt, wie ein Pikachu. Sie sind faszinierend anzusehen, denn sie sehen gar nicht mehr aus, wie die Ratten von der Straße, vor denen man sich so ekelt. Das gelbe Fell lässt sie reinlich wirken, die aufgemalten roten Wangen und die großen, eingesetzten Kulleraugen machen sie auf irgendeine Art und Weise sogar süß.

Die ursprünglich schwarzen Ratten, die sich in den Straßen von Shibuya aufhalten, sieht die Gruppe als Beispiel für den desillusionierten Menschen von heute, der sich der modernen Welt anpasst,  um in der Krise zu überleben.

Das Projekt „Super Rat“ finde ich eine wunderbare Darstellung der heutigen Gesellschaft und vor allem finde ich beeindruckend, dass so etwas aus den Ideen der sonst so kritikscheuen Japaner entstammt! “chim↑pom“ unterscheidet sich mit ihrer Modernität komplett von allen anderen japanischen Künstlern. Aus japanischer Feder stammend ist man meist traditionelle Kunst gewohnt. Viel Natur, traditionelle Szenen, ein „echtes“ Pikachu aber der Gesellschaft als Spiegel hinzuhalten, diese Idee hatte bisher noch niemand. Es vereint das „Echte“ (die Ratte) mit der Oberflächlichkeit, dem synthetisch Erschaffenen der Gesellschaft (die „Tarnung“ als Pikachu). Es ist wichtig die Figuren auf sich wirken zu lassen und mal über das nachzudenken, das sie wiedergeben. Meiner Meinung höchst interessant und sehr gut durchdacht!

http://chimpom.jp/

 

Fake New York Times by The Yes Men

Zuerst wundert man sich, wenn man den dritten Stock des Museums erreicht und dort als erstes Ausstellungsstück auf eine Ausgabe der New York Times mit dem Titel „Iraq War Ends“ trifft. Durch ein Video und weitere Erklärungen ergibt sich, dass amerikanische Künstler eine eigene Ausgabe der New York Times heraus gegeben haben. 100.000 Stück an der Zahl, die sie in der New Yorker Innenstadt verteilten. Gedruckt waren dort positive Nachrichten, die zum Beispiel verlauten ließen, dass die Studiengebühren in Amerika abgeschafft werden sollten. Mit einer Kamera machten sich die Künstler außerdem auf den Weg, um die Reaktionen der Passanten auf die angebliche Extraausgabe der New York Times zu filmen. Sätze, wie „This is too good to be true“ oder „Is this real?” zeigten hier wie unglaubwürdig diese Nachrichten auf die Leute wirkten. Natürlich war die ganze Zeitung eine einzige Lüge.

Ich finde dieses Projekt eine großartige Idee, um aufzurütteln und um die Menschen aus dem Sumpf von so vielen schlechten Nachrichten herauszuziehen. Wir sind negative Schlagzeilen so gewohnt, dass wir für sie schon vollkommen desensibilisiert sind. Darüber vergisst man leicht, dass es „das Gute“ doch auch noch irgendwo geben sollte. Mit diesem Projekt wurde die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Ziele gelenkt, die der Staat eigentlich hat, oder haben sollte. Es wird auf Probleme aufmerksam gemacht, die alle etwas angehen.

Auch dieses Projekt war sehr kritisch und genau das hat mir gefallen! Kritik an der Politik und am eigenen Staat zu üben, das haben die meisten verlernt. Es ist richtig, die Leute mal wieder daran zu erinnern. Außerdem ist es beeindruckend wie viel Mut hinter diesem Projekt steht, denn den Namen der wichtigsten Zeitung in Amerika zu stehlen und ihn mit höchst kritischen Artikeln und Werbung zu versehen, ist definitiv nicht legal und war für die Künstler somit sogar ein großes Risiko.

 

Kritik an einer Welt, die wir Menschen selbst gebaut haben

Fukushima

Die Katastrophe von Fukushima hat nicht nur Japan, sondern der ganzen Welt den Atem geraubt. Sie lässt so viele Fragen offen. Gefahr? Atomare Strahlung? Ja. Aber was ist mit den Menschen, die dort leben? Im Krisengebiet. “chim↑pom“ hat sich hinein getraut, ein Video gedreht und Fotos erstellt. In dem Video rufen die Künstler immer wieder verschiedene Slogans zu Atomkraft. „Yelling for the people“, heißt es.

Auch hier haben sich die Künstler wieder selbst übertroffen. Nicht nur die „durchleuchtete“  Darstellung der Bilder in einem abgedunkelten Raum, was an sich schon wieder ein Symbol für sich ist, sondern auch die Courage sich dorthin zu begeben, um Kunst zu erschaffen.

 

Art by JR

Die Projekte des französischen Künstlers „JR“ sind in der Ausstellung nur auf Bildmaterial zu sehen, da sie für ein Museum viel zu groß sind. Sie gehören aber auch nicht in ein Museum, sondern hinaus in die Welt, denn die Welt an sich ist Teil der Kunst.

JR hat kleine ärmliche Provinzdörfchen zu neuem Leben erwecken lassen, als er zusammen mit den Einwohnern riesige Plakate an die Wände der Häuser klebte. Da sich die Siedlung auf einem Hügel befindet, sieht man von weitem Augen, die einen anstarren und weitere Gesichter. Es ist ein Aufschrei der Bewohner, „Hier leben Menschen!“. Die Dorfbewohner, denen es finanziell nicht gut geht, wurden von JR in ihren Häusern gefilmt. Er zeigt interessante Einblicke in das Leben dort und auch die Kameraführung ist einsame Spitze!

 

Ein riesen Projekt ist entstanden, das das Innere nach außen kehrt. Deshalb auch der Name „Inside OutProject“.

Ein Blick auf die Internetseite lohnt sich sehr!

http://www.insideoutproject.net/#@section=home

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Kategorie: Allgemein, Julies Reiseblog

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