Fukushima und ist Japan sicher?
Mein Frühstück heute bestand aus einem Kaffee aus dem Beutel und zwei Scheiben puren Toast. Das passiert, wenn man zu faul ist einkaufen zu gehen und der Supermarkt um die Ecke erst um 10 Uhr aufmacht. Ich könnte auch in einen Convini gehen aber da gibt es nichts Gescheites, sondern nur überteuerte schnell-verzehr-Artikel. Da ich den Kaffeebeutel etwas zu lange drin gelassen habe, schmeckt der Kaffee am Boden ziemlich bitter. Passend dazu fällt mein Blick auf die Tourismus Broschüre von Fukushima, die neben mir auf dem Tisch liegt.
Mitgenommen habe ich diese im Government Building in Shinjuku, das aufgrund seiner kostenfreien Aussichtsplattform ein wahrer Touristenmagnet ist. Im ersten Stock dieses Gebäudes hängt ein riesiges Plakat, das für die Schönheit Fukushimas wirbt. Aus Neugierde habe ich mal ein Heftchen mitgenommen und bin ehrlich beeindruckt.
Blättert man die Broschüre durch, stößt man auf Bilder von einem Dorf, dessen Häuser alle durch Rietdächer geziert sind, auf Impressionen der wunderschönen Landschaft des Kannon-numa forest Park und Informationen über verschiedene Aktivitäten, wie Tücher Färben, Töpfern oder Campen. Es gibt dort wundervolle Seen, Felder voller Blumen und historisch wahnsinnig interessante Museen. Interessant ist auch das für die Region typische Essen, wie Tomaten Ramen, Tachi Soba, Tsuyuji oder über dem Feuern gegrillten Mochi.
Wenn man sich das Essen ansieht, kommt einem als erstes der Gedanke, der an die schlimme Katastrophe erinnert und man fragt sich: Kann ich das überhaupt gefahrenlos essen? Wenn die Zutaten aus der Region kommen, ist das sehr unwahrscheinlich.
Es ist wirklich traurig diese Broschüre in den Händen zu halten, die verzweifelt versucht die Präfektur Fukushima für Besucher wieder attraktiv zu machen. Informiert man sich im Internet über Touristen Attraktionen in Fukushima, erinnert nichts an die Katastrophe. Lediglich ein Emblem mit der Aufschrift „Pray for Japan“ soll daran erinnern, wie mitleidig man der gezeichneten Präfektur gegenüber stehen sollte. Im Weiteren steht dort, dass man sich sehr über jegliche Unterstützung freut und hofft durch einen schnellen Wiederaufbau Besucher bald wieder willkommen heißen zu können. Es folgt ein Bild von Fruchtanbauten aus der Region. Hier wird in keiner Art und Weise vor der möglichen Strahlung gewarnt, was dazu führt, dass diese ganze Sache in ein paar Jahren vergessen sein wird. Man wirbt einfach fleißig weiter, überdeckt die Schäden und appelliert an das schlechte Gewissen der Menschen, um sie wieder für sich zu gewinnen. Ein bisschen passt dieses Ignorieren von Problemen zur japanischen Mentalität. Wie ich schon einmal beschrieben habe, ist das ja sogar Teil des Alltags. Was Fukushima angeht ist das aber sicher nicht die richtige Herangehensweise.
Nun da ich in Tokyo bin, beschäftigt mich diese Sache natürlich etwas mehr, als vorher in Fukuoka. Ich muss zugeben, wenn ich die Broschüre so sehe, könnte ich mir einen Camping Trip in einen der großen Parks mit ihren weiten Feldern und grünen Hügeln schon vorstellen. Ein bisschen japanischer Tourismus, fernab von der großen Stadt Tokyo.
Liest man dann aber einen Artikel aus der deutschen Presse, wird mit schärfster Kritik über die Folgen der Katastrophe spekuliert. Man vergleicht mit Tschernobyl und wirft den Japanern vor die Augen vor etwas zu verschließen, das doch so offensichtlich erscheint.
Ich habe schon mit vielen hier vor Ort über dieses Thema gesprochen und man ist sich einig, dass die Wahrheit wohl irgendwo zwischen den Beschwichtigungen der Japaner und der Panikmache aus Europa liegt. Es ist schwierig sich ein Bild zu machen, wenn man hier in Tokyo sitzt, wo alle ganz normal ihrem Alltag nachgehen.
Wenn man aber genau überlegt, kommt man zu dem traurigen Schluss, dass zumindest den Japanern, die hier Leben kaum etwas anderes übrig bleibt, als an Ort und Stelle weiter zu machen, wie bisher. Allein in und um Tokyo leben ca. 35 Millionen Menschen. Nehmen wir an man würde feststellen, dass die Strahlung hier so schlimm ist, dass fast jeder in ca. 20 Jahren Folgeschäden davon trägt, was wäre dann eine geeignete Maßnahme? Eine Evakuierung? Von 35 Millionen in Tokyo lebenden Menschen? Man hat ja noch nicht einmal die Menschen aus der in der Sperrzone liegenden Region vernünftig untergebracht.
Es ist sicherlich nicht richtig von der japanischen Regierung all das zu beschönigen aber man kann den Menschen wohl kaum vorwerfen eine Tatsache zu ignorieren, an der sie ohnehin nichts ändern können.
Ich persönlich finde die Broschüre zwar reizvoll, würde aber trotzdem nicht nach Fukushima reisen wollen. Zu groß ist der Respekt vor der Strahlung und zu sehr wurde die Angst von der deutschen Presse geschürt. Natürlich weiß ich nicht, wie die Situation hier in Tokyo ist oder wie sie in Fukuoka war. Ebenso kann ich nicht erkennen woher das Essen kommt, das ich hier kaufe. Gerade bei Mochi ist es schwierig, denn man weiß nicht woher der Reis kommt, aus dem sie gefertigt sind. All das klingt vielleicht wahnsinnig leichtsinnig aber ich muss sagen, dass ich im Moment mehr Wert darauf lege meinen Traum hier in Japan zu leben, als mich von etwas verrückt machen zu lassen, dessen Folgen ich möglicherweise erst in 20 Jahren spüre.
Vielleicht hilft mir das auch mein Leben mehr zu genießen und Dinge wirklich zu tun, auch wenn ich Zweifel habe. Die ersten zwanzig Jahre sind so schnell vergangen. Ich bin dafür aufzustehen und zu machen, anstatt nur von den Dingen zu träumen. Und irgendwann, dann kann man sich niederlassen. Ruhe finden und auf ein Leben voller Ereignisse zurück blicken. Ein sehr großes davon wird für mich immer Japan sein!
Kategorie: Allgemein, Julies Reiseblog
Mir geht es ähnlich wie Maria. Immer, wenn die Frage Fukushima aufkommt, sage ich, dass mich das nicht davon abhalten würde nach Japan zu gehen.
Natürlich würde ich nicht unbedingt eine Tour zum Daiichi machen, wer würde das schon tun?
Die Leute wissen nicht genug bescheid darüber. Folglich antworte ich ihnen auf die Frage der Strahlungsgefahr: „Weißt du, dass die Strahlung in Tokyo sogar geringer ist als in Berlin?“ Und da werden sie auf einmal ganz still 😉
Wenn ich von meinen Plänen erzähle, dass ich auch ein Jahr nach Japan gehe, wird es immer sehr schnell still. Erst kommt immer ein „Ach, wie toll!“ und schon merke ich, wie mein Gegenüber schweigt und eigentlich eine brennende Frage hat, aber sich nicht traut zu fragen: Was ist mit der Strahlung? Hast du keine Angst?
Was antwortet man darauf? Ich sehe es nämlich genau wie du, Japan ist ein Traum, den man sich endlich erfüllt.
Ich glaube erst ein oder zwei Freunde sprachen mich auf dieses, ja ich sag mal fast schon „Tabuthema“, Fukushima an, und ob ich nicht Angst hätte. Und mir fiel einfach ein:
Ich könnte nie damit leben zu sagen, dass ich nie in Japan war. Es ist einfach ein Traum! Und das schon sehr lange!